Akademische Karrieren: „Den eigenen Weg bewusst wählen“
22.10.2025
Zum Postdoc Career Day sprechen die Förder- und Karriereberaterinnen Dr. Barbara Riesche und Dr. Anna Pahl über die Karrierewege von Forschenden.
22.10.2025
Zum Postdoc Career Day sprechen die Förder- und Karriereberaterinnen Dr. Barbara Riesche und Dr. Anna Pahl über die Karrierewege von Forschenden.
arbeiten im Referat Forschungsförderung der LMU und bieten beim Postdoc Career Day einen Workshop für Postdocs an.
Am 10. Dezember findet an der LMU der Postdoc Career Day statt. Den Workshop „Navigating Academic Careers“ halten Dr. Barbara Riesche und Dr. Anna Pahl. Beide bieten im Rahmen ihrer Tätigkeit in der nationalen Forschungsförderung der LMU auch Karriereberatung für Postdocs an. Im Interview sprechen sie über Leistungsdruck, schwierige Entscheidungen und Unterstützungsmöglichkeiten – und die Rush Hour im Leben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Was sind die größten Herausforderungen in der Postdoc-Phase?
Barbara Riesche: Der Leistungsdruck ist in dieser Zeit sehr hoch. Es gilt, Paper zu publizieren, Drittmittel einzuwerben, sich zu vernetzen und in der akademischen Welt sichtbar zu sein. Dazu kommt der starke Wettbewerb: Es gibt nun einmal deutlich mehr Stellen für Promovierende und Postdocs als Professuren oder unbefristete Stellen im Mittelbau – die berühmt-berüchtigte Bottleneck-Situation.
Pahl: Gleichzeitig fällt diese intensive Karrierephase oft mit vielen persönlichen Entscheidungen zur Familien- und Lebensplanung zusammen, die sogenannte Rush Hour of Life. Dabei machen befristete Verträge und Ortswechsel eine langfristige Planung schwierig.
Riesche: Postdocs sagen uns in der Beratung häufig, dass es gerade diese Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen ist, die den Druck ausmacht. Viele fragen sich: Wo setze ich die richtigen Prioritäten? Wie investiere ich meine Zeit und Ressourcen am besten? Obwohl die Anforderungen und Arbeitsweisen je nach Disziplin sehr verschieden sein können, kennen das alle. Das nutzen wir in unseren Karriereworkshops: Der Austausch mit anderen Postdocs über die gemeinsamen Herausforderungen, aber auch über Strategien, damit umzugehen, kann sehr hilfreich und stärkend sein.
Wann ist ein guter Zeitpunkt, sich für oder gegen eine akademische Karriere zu entscheiden?
Pahl: Diese Frage stellen uns viele Postdocs, wenn sie in die Beratung kommen. Einige sind sehr besorgt, dass sie zu lange gewartet haben und dass es zu spät sein könnte für die Entscheidung, ob man innerhalb oder außerhalb der akademischen Welt weitermacht. Wir finden es schwierig, pauschal einen idealen Zeitpunkt zu definieren – Karriereentscheidungen sind sehr individuell und abhängig von ganz unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Faktoren. In der Beratung bieten wir an, mit den Postdocs gemeinsam darüber zu reflektieren, in welche Richtung sie ihre Karriere entwickeln möchten.
Für manche ist der Abschluss der Promotion ein passender Moment zur Entscheidung. In anderen Bereichen wird Postdoc-Erfahrung auch für Karrieren außerhalb der Wissenschaft sehr geschätzt oder als persönlich bereichernd empfunden.
Riesche: Wir empfehlen deswegen, mit sich selbst ins Gespräch zu gehen und zu prüfen: Passt dieser Weg und das, was ich gerade tue, zu mir, zu meinen Stärken, Bedürfnissen und Lebensvorstellungen? Wenn man sich mit den eigenen Zielen und Optionen auseinandersetzt, lassen sich passende Wege aktiv gestalten. Es ist gut, sich solche Fragen frühzeitig zu stellen und diese dann auch immer wieder aufzugreifen, wenn sich etwas verändert.
Pahl: Das gilt ja nicht nur für eine Karriere außerhalb der Wissenschaft. Gerade auch für eine akademische Karriere sollte man sich aktiv entscheiden und diese dann auch ganz bewusst planen. Schwierig kann es werden, wenn man mit einer solchen Selbstklärung wartet, bis es praktisch keine Verlängerungsoption mehr gibt und man unfreiwillig ausscheiden muss.
Gerade für eine wissenschaftliche Karriere empfehlen wir, sich frühzeitig mit den nächsten Schritten auseinanderzusetzen und sich zu informieren, was auf der nächsten Karrierestufe erwartet wird. Dazu gehört auch ein eigenes Benchmarking: Wo stehe ich im Vergleich zu anderen?Anna Pahl, Referat Forschungsförderung der LMU
Was würden Sie Postdocs grundsätzlich raten?
Riesche: Offen zu bleiben. Eine Karriere in der Wissenschaft wird von vielen als „Plan A“, eine Karriere außerhalb der Wissenschaft als „Plan B“ gesehen – das klingt stark nach zweiter Wahl. In unserer Beratung, in unseren Workshops und mit Veranstaltungen wie dem Postdoc Day versuchen wir zu zeigen, dass die erste Wahl das sein sollte, was wirklich zu einem passt. Wenn ich mir meiner Interessen, Stärken und Werte bewusst bin, tun sich spannende Jobprofile auf – in Wissenschaft, (Privat-)Wirtschaft, Kultur, Politik oder in NGOs, in der Gründung eines eigenen Unternehmens, im Wissenschaftsmanagement oder in anderen Bereichen.
Pahl: Gerade für eine wissenschaftliche Karriere empfehlen wir, sich frühzeitig mit den nächsten Schritten auseinanderzusetzen und sich zu informieren, was auf der nächsten Karrierestufe erwartet wird. Dazu gehört auch ein eigenes Benchmarking: Wo stehe ich im Vergleich zu anderen? Wo standen erfolgreiche Kolleginnen und Kollegen, als sie so weit waren wie ich? Wie viel hatten sie publiziert, was für Drittmittel hatten sie bereits eingeworben, wie gut waren sie vernetzt? Man kann sich auch Feedback aus dem eigenen Umfeld einholen: Wo siehst du mich? Wo bin ich bereits gut aufgestellt, und was sollte ich ausbauen, wenn ich weiterkommen möchte?
Mentoring kann gerade in der Postdoc-Phase ein sehr wirkungsvolles Instrument sein.Barbara Riesche, Referat Forschungsförderung der LMU
Welche Rolle spielt Mentoring dabei?
Riesche: Mentoring kann gerade in der Postdoc-Phase ein sehr wirkungsvolles Instrument sein, das sich für viele der oben bereits beschriebenen Selbstverortungsprozesse sehr produktiv nutzen lässt: Häufig sind Mentorinnen und Mentoren Vorbilder, an denen man sich orientieren kann, um die nächsten Schritte zu planen. Gerade in Entscheidungssituationen sind sie außerdem wichtige Gesprächspartner. Sie erleichtern den Zugang zu Netzwerken und unterstützen dabei, Erwartungen und „Spielregeln“ zu verstehen, die den akademischen Alltag prägen und die man nicht nachlesen kann.
Wie findet man eine passende Person dafür?
Pahl: In allen Fakultäten der LMU gibt es zum Beispiel das LMUMentoring. Auch Forschungsverbünde wie Exzellenzcluster, Sonderforschungsbereiche oder Graduiertenprogramme haben meist eigene Mentoring-Netzwerke. Wer eine Karriere außerhalb der Wissenschaft anstrebt, kann vom Career Service der LMU eine Mentorin oder einen Mentor vermittelt bekommen, um diesen Wechsel zu begleiten.
Wie wichtig sind Auslandsaufenthalte heute für die wissenschaftliche Karriere?
Riesche: Mobilität bleibt wichtig. Mit einem Auslandsaufenthalt – bewusst gewählt und passend zu meinen Forschungsinteressen – kann ich meine wissenschaftliche Unabhängigkeit vorantreiben, Zugang zu internationalen Netzwerken erhalten und international publizieren, neue Methoden erlernen und führende Forschungseinrichtungen kennenlernen. Es muss aber nicht immer ein langer Aufenthalt sein. Auch kürzere, bewusst gewählte Forschungsaufenthalte, Kooperationen und Beteiligungen an internationalen Verbünden können einen ähnlichen Effekt haben.
Drittmittelkompetenz ist zu einem wichtigen Bestandteil wissenschaftlicher Qualifikation geworden.Anna Pahl, Referat Forschungsförderung der LMU
Wie kann Drittmittelförderung auf dem Weg zu mehr Unabhängigkeit helfen?
Pahl: Drittmittelkompetenz ist zu einem wichtigen Bestandteil wissenschaftlicher Qualifikation geworden. Mit der Einwerbung eines eigenen Projekts hat man sich erfolgreich dem Peer Review gestellt und gegen die Konkurrenz durchgesetzt – allein das ist schon mal ein wichtiges Signal, dass die eigene Forschung Kolleginnen und Kollegen überzeugt und deren Qualitätssicherung standhält. Als Projektleitung darf man dann die eigene Forschungsagenda umsetzen, man verwaltet ein eigenes Budget, trifft Personalentscheidungen und führt vielleicht sogar ein eigenes Team. Das sind tolle Möglichkeiten, um die eigenen Kompetenzen weiterzuentwickeln – und ein wichtiger Schritt zu einem eigenständigen Profil als Forscherin oder Forscher.
Wo können sich Postdocs außerhalb des Career Days beraten lassen?
Riesche: Die Förderberatung und die Karriereberatung des Referats für Forschungsförderung (VIII.3) steht Postdocs immer offen! Auch Qualifizierungsangebote gibt es ganzjährig und in ganz unterschiedlichen Bereichen.
Der Postdoc Career Day ist Teil des Programms #EXCELLerate. LMU-Postdocs finden hier ein vielfältiges Angebot aus Workshops und Info-Veranstaltungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Von forschungsnahen Themen wie Open Access, Forschungsdatenmanagement und Drittmitteleinwerbung über Karrieren innerhalb und außerhalb der Wissenschaft bis hin zu übergreifenden Führungs- und Kommunikations-Skills.
Trotz Unsicherheiten ist die Wissenschaft ein ganz besonderer Ort: Sie ermöglicht das Arbeiten in großer intellektueller und kreativer Freiheit und internationalen Teams und sie bietet die Chance, gesellschaftliche Entwicklungen mitzugestalten.Barbara Riesche, Referat Forschungsförderung der LMU
Was macht eine akademische Karriere – bei allen Herausforderungen – so erstrebenswert?
Riesche: Trotz Unsicherheiten ist die Wissenschaft ein ganz besonderer Ort: Sie ermöglicht das Arbeiten in großer intellektueller und kreativer Freiheit und internationalen Teams und sie bietet die Chance, gesellschaftliche Entwicklungen mitzugestalten. Viele Postdocs schätzen genau das – die Möglichkeit, Neuland zu betreten und eigene Beiträge zum Erkenntnisfortschritt zu leisten.
Pahl: Mit evidenzbasiertem, kritischem Denken ist die Wissenschaft eine tragende Säule unserer Gesellschaft und gerade aktuell enorm wichtig. Ich finde die Begeisterung von Forschenden für ihre Themen auch ganz persönlich immer wieder beeindruckend und ansteckend.
Am 10. Dezember 2025 lädt die LMU zum Postdoc Career Day ein – dieses Mal unter dem Motto „#EXCELLerate and connect!“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die EU-Förderberatung Kowi (Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen) werden über nationale und europäische Förderprogramme informieren. Darüber hinaus werden Workshops zu Themen wie „How to become a Professor“, „From Science to Business“, „Wege ins Wissenschaftsmanagement“ oder „Karriere mit Kind“ angeboten. Die Networking-Messe des Postdoc Career Day bietet zudem die Gelegenheit, die vielfältigen Unterstützungsangebote an der Universität und in der Münchner Forschungslandschaft kennenzulernen. In der „Living Library“ berichten zehn ehemalige Postdocs von ihren Laufbahnen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft.
Weitere Informationen unter #EXCELLerate and connect!